7 Entstehung der Dogmen

Theologische Arbeit im Fach Dogmatik


Wie Dogmen entstehen - Die Kirche kann mir in meinen Glauben nicht dreinreden

Das Zustandekommen von Dogmen ist zunächst ein prozesshaftes, geistliches Geschehen, in welchem der Hl. Geist entsprechend der Verheißung, die Gläubigen durch seine Gaben und Gnaden, durch innere Einsicht und durch geistliche Erfahrungen in alle Wahrheit einführen will. Schrift und Tradition sind hierbei gleichsam wie ein Spiegel, in welchem die Kirche Gott und seine Wahrheit anschaut. So sehr Entfaltung, Praxis, Studium und Nachsinnen aller Gläubigen von Bedeutung sind, weil der Geist in der Kirche und in den Herzen aller Gläubigen wie in einem Tempel wohnt, so kommt doch allein dem Lehramt die authentische Interpretation von Schrift und Tradition zu (LG 25 / DV 10). Die Vorlage eines von Gott geoffenbarten Inhalts, der in Schrift oder Tradition (Wort Gottes) greifbar sein muss, kann in Form eines außerordentlichen bzw. feierlichen Lehrentscheides durch ein Konzil gemeinsam mit dem Papst, oder durch den Papst selbst (Ex-Cathedra-Entscheidung) geschehen. Hierbei müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

  • Die Entscheidung muss eine Glaubensfrage betreffen,
  •  Der Papst entscheidet u. spricht für die gesamte, weltweite, katholische Kirche,
  •  Die Entscheidung ist end-gültig.

Entsteht ein Dogma auf diese Art und Weise, so sprechen wir von einem definierten oder formellen Dogma. In der Regel liegt es in schriftlicher Form vor (z.B. die päpstliche Unfehlbarkeit). Eine zweite Form ist das nicht definierte oder materielle Dogma. Es entwickelte sich und existiert in Form des ordentlichen bzw. gewöhnlichen Lehramts der Kirche und zwar dadurch, dass übereinstimmend ein Sachverhalt als von Gott geoffenbart, geglaubt wird. Diese allgemeine Lehre der Kirche findet im praktischen Glaubensalltag ihren Ausdruck z. B. in Gottesdienst, Verkündigung, Schule, Katechese etc. Viele dieser zentralen Glaubenswahrheiten wurden niemals definiert (z.B. die Auferstehung Jesu Christi). Das Dogma ist somit als eine amtliche, für die ganze Kirche verbindliche Auslegung der einen ein für allemal ergangenen göttlichen Offenbarung zu betrachten. Es muss sich auf die ursprüngliche und gemeinsame Offenbarungswahrheit beziehen und es muss amtlich, für alle verbindlich und end-gültig vorgelegt werden.

Gottes Geist handelt durch Menschen. Jeder, der an Gottes Geist in Jesus Christus glaubt, tut das deshalb, weil ihm etwas von diesem Geist im Glauben anderer und in der Gemeinschaft von Glaubenden aufgegangen ist. Ohne die Kirche als weltweite Gemeinschaft der Glaubenden wüssten wir überhaupt gar nichts von Jesus Christus. Wir hätten ohne sie weder Zeugnis noch Bekenntnis, es gäbe weder eine Heilige Schrift noch eine Feier der Sakramente. Deshalb ist christlicher Glaube ohne Kirche schlichtweg einfach nicht möglich. Auch der heute weit verbreitete Slogan „Jesus ja – Kirche nein“ ist deshalb grundsätzlich ein Widerspruch in sich selbst. Die Kirche ist es also, die uns den Geist Jesu Christi überliefert hat. Sie steht auf dem sicheren Fundament der Apostel und Propheten (Eph 2,20), den damaligen Augen- und Ohrenzeugen des Evangeliums (z.B. Lk 1,2 u. Lk 24.48). Deshalb ist die Hl. Schrift die Ur-Kunde unseres Glaubens. Durch sie offenbart sich Gott den Menschen in einzigartiger und besonderer Weise. Ganz speziell und wiederum end-gültig geschieht dies in der Person Jesus von Nazareth. Gott spricht in und durch die Hl. Schrift zu uns Menschen aber immer in ‚Menschenworten‘; das heißt, dass eben auch sprachliche Schwierigkeiten und Grenzen immer mit einfließen und deshalb gegeben sind. Auch deshalb war und ist die Lesung und Auslegung der Schriften z.B. im Gottesdienst bis heute und auch zukünftig ein wesentlicher Grundauftrag der Theologie.

Der Glaube muss immer wieder reflektiert und betrachtet werden. Ebenso müssen seine grundsätzlichen Inhalte von der Kirche immer wieder herausgestellt, und in die jeweilige Zeit hinein ausgelegt und gedeutet werden. Dies ist insbesondere immer wieder wegen der Abgrenzung zu Fehldeutungen bzw. Fehlauslegungen und den daraus resultierenden Irrlehren notwendig. Schon im neuen Testament wird diese Notwendigkeit und Methodik durch die Briefe des Apostels Paulus, adressiert an griechische Gemeinden, sichtbar und deutlich. Deshalb ist eine persönliche und positiv gemeinte, kritische Auseinandersetzung mit der Kirche und ihren Glaubensinhalten sehr wichtig. Der Glaube will nicht einfach ‚naiv nachgeglaubt‘ oder unreflektiert übernommen, sondern er will auf theologischer – und insbesondere fundamentaltheologischer Ebene mit den Möglichkeiten der Vernunft geistig durchdrungen und an den entsprechenden Stellen auch begründet sein. Hierin ist u.a. auch der kirchliche Anspruch begründet, Glaubenswahrheiten zu verkünden und Glaubenslehrsätze (Dogmen) zu erstellen, die dann als glaubensverbindlich ausgewiesen und vorgelegt werden. Dort, wo die Kirche mit letztem Engagement für eine Sache eintritt, ist und bleibt sie in der Wahrheit.

Die Zusammenfassung der zentralen Inhalte der Hl. Schrift und deren verbindliche Auslegung kommt so z.B. in einmaliger Form in unserem Glaubensbekemitnis zum Ausdruck. Freilich kann sich der Mensch bei seiner Wahrheitssuche und in seinem persönlichen Glaubensprozess durch die von Gott erhaltene Freiheit aber auch immer gegen die von der Kirche geprüften und vorgelegten Glaubenswahrheiten und somit gegen die Gaben des Geistes und gegen Gott selbst entscheiden. An der einen, geoffenbarten und absoluten Wahrheit wird sich aber dennoch niemals etwas ändern. Jesus Christus sprach von sich als dem Weg, der Wahrheit und dem Leben. Die Kirche des lebendigen Gottes erhebt den Anspruch, Säule und Fundament dieser Wahrheit und Glaubensgeheimnisse zu sein (1Tim 3,15). Außerdem erhielt sie vom Auferstandenen den Auftrag, allen Menschen die frohe Botschaft zu verkünden, sie in den Geist der Wahrheit einzuführen und zu lehren und sie im Namen des dreifaltigen Gottes zu taufen (Mt 28,19-20). Da alle zum Glauben berufen sind, fühlt sich die Kirche von Jesus Christus in die Pflicht genommen. Sie muss und wird, ihrem Selbstverständnis entsprechend, solange von der Wahrheit künden und Zeugnis geben (‚dreinreden‘), bis dieser göttliche Auftrag erfüllt sein wird. In diesem Entwicklungsprozess erkennt und versteht sie selbst die christlichen Glaubenswahrheiten und die unermessliche Liebe Gottes tiefer. Wesentlich mitentscheidend für die Glaubwürdigkeit unserer Kirche in Zukunft wird das persönliche Lebens – und Glaubenszeugnis, sowie die Art und Weise der Begegnung mit anderen Menschen sein. Das wichtigste hierbei ist m.E. die Entsprechung von Wort und Tat im heiligen Geist, gemäß unserem Vorbild Jesus Christus.