30 Der Gottesbeweis

Theologische Arbeit im Fach Fundamentaltheologie


Kann man die Existenz Gottes beweisen?

Gottesbeweise nennt man in der klassischen theologischen Tradition die Versuche, das Dasein Gottes allein aus Beweisgründen der Vernunft – also mit den Mitteln der philosophischen Argumentation – zu erweisen. Gottesbeweise sind Gedankengänge, die vorhandene und beobachtete Dinge und Sachverhalte auf ihre Voraussetzungen / Gründe hinterfragen und zurückführen. Solche Gedankenversuche lassen sich bis zur griechischen Philosophie zurückverfolgen. Schon die Vorsokratik suchte nach letzten Gründen des Seins und sah in ihnen etwas Göttliches. Bei Platon ist jener Grund aller Gründe die ‚Idee des an sich Guten‘, die ihrerseits die ‚Erzeugerin‘ von allem Seienden, Wahren und Guten ist.

 

Den klassischen Gottesbeweis entwickelte Aristoteles mit dem Bewegungsbeweis: Die Bewegung oder Veränderung all dessen, was in der Welt vorkommt, wird als Wirklichkeitssteigerung verstanden; sie setzt als Erklärungsgrund ein Faktum voraus, das alle Wirklichkeit umfasst und von dem alle Bewegung und Steigerung an Wirklichkeit ausgeht. Dieses Faktum nennt Aristoteles ‚den ersten unbewegten Beweger‘. Diesem schreibt Aristoteles neben Unveränderlichkeit und Notwendigkeit auch Leben und Vernunft zu. Thomas von Aquin hat diesen Beweis des Aristoteles in seine ‚Fünf Wege zu Gott‘ aufgenommen. Heute unterscheidet man meist vier klassische Gottesbeweise:

  1. Der kosmologische Gottesbeweis: Man geht vom Phänomen der Bewegung, Veränderung, Verursachung in der äußeren Erfahrungswelt aus. Dann schließt man, da ein endloses Zurückgreifen sinnlos ist, mit Hilfe des Kausalitäts-prinzips auf eine erste Ursache.
  2. Der teleologische Gottesbeweis: Man geht aus von der Ordnung, Zweckmäßigkeit, Zielstrebigkeit, der drängenden Dynamik allen Naturgeschehens (neuerdings auch des Menschengeistes, der im Endlichen unerfüllt bleibt). Dann schließt man mit Hilfe des Finalitätsprinzips, das eine Zielgerichtetheit annimmt und eine pure Zufälligkeit allen Geschehens ausschließt, auf einen Weltordner und Weltschöpfer (bzw. auf ein höchstes Ziel).
  3. Der ontologische Gottesbeweis: des Anselm v. Canterbury: Man geht aus von dem (in jedem Menschen vorhandenen) Begriff Gottes als des vollkommensten Wesens, „über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann“. Hiervon schließt man notwendig auf die tatsächliche Existenz dieses Wesens. Denn „tatsächlich existierend“ ist mehr als „bloß gedacht“. Also muss das Wesen, „worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann“, auch tatsächlich existieren, denn sonst könnte Größeres gedacht werden.
  4. Der moralische Gottesbeweis: Man geht aus von der Notwendigkeit, die unbedingt gebotene Sittlichkeit und das Glückseligkeitsstreben des Menschen zur Übereinstimmung zu bringen. Von daher kann man Gottes Existenz zwar nicht streng aufweisen, wohl aber als praktisch und moralisch notwendig fordern. Es muss einen Gott geben, der das „höchste Gut“ gewährleisten kann.

Immanuel Kant ließ nur diesen letzten Gedankengang gelten. In den früheren Argumenten maßt sich seines Erachtens die Vernunft ein Urteil über Bereiche an, in die sie mit ihrem Erkenntnisvermögen schlechterdings gar nicht vordringen kann. Deshalb kann Gott mit der Vernunft nicht bewiesen, sondern allenfalls praktisch-sittlich gefordert werden. Seit Kant gelten die Gottesbeweise daher als erledigt. Wenn sie also nicht als Beweise im strengen Sinn gelten können, so bleibt doch zu fragen, welche Erwartungen im Horizont des menschlichen Fragens durch diese Überlegungen an Gott gerichtet werden können. Sie sind nicht als Beweise für die tatsächliche Existenz Gottes zu verstehen, sondern als Anfragen bezüglich eines Urgrundes, angesichts einer auf ihre Hintergründe hinterfragten Wirklichkeit der Welt und des Menschen.