25 Das II Vatikanische Konzil

Theologische Arbeit im Fach Kirchengeschichte


Die Krise der Gegenwart

In dieser unserer Zeit sieht sich die Kirche einer schweren Krise der menschlichen Gesellschaft gegenüber. Diese Krise ist von großen Umwälzungen begleitet. Währen die menschliche Gesellschaft auf dem Wege zu einer neuen Weltordnung ist, hat die Kirche große Aufgaben zu bewältigen wie in den schwierigsten und ernstesten Zeiten ihrer Geschichte. Von der Kirche wird heute verlangt, dass sie die verästelten Strukturen der heutigen Gesellschaft mit dem Leben des Evangeliums erfülle. Diese Aufgabe ist ihr gestellt in einer Welt, die sich zwar ihre modernen wirtschaftlichen und technischen Fortschritts rühmt, die aber an einer gesellschaftlichen Krise leidet, die sie ohne Gott zu beheben versucht hat. Wir müssen zudem feststellen, dass die Menschen unserer Tage in ihrer geistigen Entwicklung mit den äußeren, materiellen Errungenschaften nicht Schritt gehalten haben. Hierin liegt der Grund für die Vernachlässigung der unvergänglichen geistigen Werte. Viele suchen geradezu gierig nach materiellem Genuss, den ihnen die fortgeschrittene technische Entwicklung so leicht macht. Hierin hat auch die Existenz eines kämpferischen Atheismus – ein ganz neues und erschreckendes Phänomen, das viele Völker erfasst hat – ihren Ursprung.

Textquelle: Papst Johannes XXIII; Auszug aus der Apostolischen Konstitution „Humanae salutis“ vom 25.12.1961.


Wie auf jedem Konzil musste auch auf dem II. Vatikanischen Konzil versucht werden, die Sorgen und Probleme ihrer Zeit mit dem in Einklang zu bringen, was ein Konzil leisten kann. Papst Johannes XXIII. hat in seiner Apostolischen Konstitution „Humanae salutis“ vom 25.12.1961, in der er das Konzil ankündigte, einerseits beschrieben, wie er die Gegenwart wahrnahm, andererseits, worin er die Aufgabe der Kirche in der Zeit sah.

Probleme und Erwartungen

Probleme der damaligen Zeit: Die Kirche befindet sich in einer schweren, von großen Umwälzungen begleiteten Krise. Der wirtschaftliche und technische Fortschritt der Gesellschaft ist groß – aber Gott und seine frohe Botschaft wird von den Menschen immer weniger wahrgenommen. Man versucht die bis in die verästelten Strukturen unserer Gesellschaft hineinreichende Krise ohne Gott zu beheben. Die geistige, innere Entwicklung der Menschen konnte mit der materiellen, äußeren Entwicklung unserer Zeit nicht Schritt halten. Dadurch wurden die unvergänglichen geistigen Werte vernachlässigt. Viele suchen gierig nach materiellem Genuss und auch der Atheismus hat bereits viele Völker erfasst.

 

Konzilserwartungen: Die Fundamente des katholischen Glaubens dürfen nicht untergraben werden. Durch ein vertieftes Studium soll die Kirche (Klerus und Laien) in ihrem Glauben und ihrer Einheit neu gestärkt werden. Neben der Verpflichtung, die Heiligung der Glieder und die Verbreitung der geoffenbarten Wahrheit zu fördern, soll vor allem auch die Anpassung ihrer sonstigen Einrichtungen vorangetrieben werden. Neues Licht soll ausgestrahlt, Neues gestaltet und neue Siege errungen werden. Hierbei soll sie sich selbst und Jesus Christus, der sie liebt, schützt und unterstützt, treu bleiben. Unser Programm wird sich mit Fragen der Glaubenslehre und der Praxis der kirchlichen Verkündigung befassen.

Reaktionen und Leistungen des Konzils

Ganz allgemein lässt sich sagen, dass dem Willen des Papstes nach einem „Pastoralen Konzil“, welches den Menschen der Gegenwart die Botschaft der Kirche nahe bringen und die Einheit der Christen fördern sollte, Rechnung getragen wurde. Das Konzil verabschiedete insgesamt 16 Dokumente, wobei den folgenden vier eine besondere Bedeutung zukommt:

  • Liturgiekonstitution. (Diese entwirft Grundlinien für eine Erneuerung des katholischen Gottesdienstes, um ihn dadurch verständlicher zu machen und die aktive Teilnahme der Gläubigen zu fördern),
  • Dogmatische Konstitution über die Kirche,
  • Dogmatische Konstitution über die Offenbarung. (Diese enthält eine ausgewogen-offene Verhältnisbestimmung von Schrift, Tradition und Lehramt und gibt damit der historisch-kritischen Schriftauslegung Heimatrecht. Offenbarung wird als Selbstmitteilung Gottes in Worten und Taten verstanden),
  • Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute.

Außerdem verabschiedet das Konzil neun Dekrete und drei Erklärungen. In diesen Dokumenten setzt das Zweite Vatikanum einige wichtige Akzente, die zum einen ihr inneres Gefüge, zum anderen ihre Beziehungen zum religiösen und gesellschaftlichen Umfeld betreffen. Im Verständnis der Kirche werden frühere Einseitigkeiten und Verengungen korrigiert. So wird z.B. die Kirche als „Volk Gottes“ gesehen, in dem das gemeinsame Christ-sein Vorrang hat vor der Unterscheidung von „Ständen“ (Klerus, Laien). Darüber hinaus wurde die katholische Mitarbeit in der ökumenischen Bewegung angeregt und zum Gespräch und zur Zusammenarbeit mit den Anhängern anderer Religionen aufgerufen. Dem christlichen Antijudaismus wird abgesagt und die Religionsfreiheit wird – unter Hinweis auf die Würde des Menschen – ausdrücklich anerkannt.

Bewertung heute - vierzig Jahre später

Heute sollten wir die Möglichkeiten und Chancen, die uns durch die Ergebnisse des Zweiten Vatikanums angeboten werden, erst einmal vollständig wahrnehmen und ausschöpfen. Hinzu kommt, dass die gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben der Kirche uns noch viel stärker als bisher herausfordern werden. Kirche muss im Namen des Evangeliums als Anwältin der Freiheit des Menschen auftreten. Sie hat solidarisch zu sein mit allen Unterdrückten, Leidenden und Ausgegrenzten. Sie muss mehr und mehr zu einer geschwisterlichen Kirche werden, in der Männer und Frauen gemeinsam und gleichberechtigt ihre Fähigkeiten einbringen können. Die Möglichkeiten der Mitwirkung von Laien können und müssen erweitert werden, sowohl auf diözesaner Ebene als auch in den Gemeinden. Bevor auf diesem Hintergrund die Chancen des II. Vatikanischen Konzils nicht vollständig ausgeschöpft sind halte ich ein neues Konzil nicht für gerechtfertigt.