„Dieser König“, sprach Franziskus weiter, „ist Jesus Christus, unser Herr; die schöne Frau ist die heilige Armut, die allerorts verworfen und verachtet, in der Welt wie in der Wüste lebt. Da der König der Könige vom Himmel herab kam, fühlte er solche Liebe für sie, dass er sich mit ihr in der Krippe vermählte. Er zeugte auch in der Wüste mehrere Kinder mit ihr: die Apostel, die Einsiedler, die Mönche und viele andere, die sich freiwillig der Armut ergeben haben. Und die gute Mutter hat sie alle mit den Abzeichen der königlichen Armut, der Demut und des Gehorsams ihrem Vater, dem König des Himmels, zugesandt. Der große König hat sie auch alle mit Liebe aufgenommen, hat versprochen, sie zu speisen und für sie zu sorgen.“ Da der Statthalter Christi diese Parabel aufmerksam angehört und ihren Sinn verstanden hatte, wunderte er sich sehr und erkannte unzweifelhaft, Christus habe in diesem armen Mann gesprochen. Auch versicherte er, vom Heiligen Geist erleuchtet, das himmlische Gesicht, das er um diese Zeit erhalten hatte, werde sich an diesem Mann erfüllen. Er sah nämlich im Traum, wie er selbst erzählte, die Kirche vom Lateran sehr nahe dem Einsturz. Da sei ein armer, geringer und verachteter Mann herbeigekommen und habe die Kirche mit seinen Schultern gestützt, damit sie nicht einstürze. Jetzt fasste der Papst eine große Hochachtung gegen den Diener Christi, zeigte sich in allem seinem Wunsch willfährig und liebte ihn stets mit besonderer Liebe. Dann bewährte er das Begehrte und bestätigte die Regel."
Textquelle: Seminarunterlagen – KG B 15 von Dr. Barbara Henze
Schon bald nach seinem Tod kamen Geschichten über das Leben des heiligen Franziskus (1181 – 1226) in Umlauf. Einer der berühmten Biographen war Bonaventura. In seiner „Legenda maior“ findet sich die Erzählung über das erste Zusammentreffen des Franziskus mit Papst Innozenz III., in dem Franz den Papst um Bestätigung der ersten Ordensregel bat. Erst im zweiten Versuch gelang es Franziskus, dem Papst sein Anliegen vortragen zu dürfen. Als Bekräftigung erzählte er folgende 'Geschichte'.
Durch sie erfuhr der Papst über Franziskus und seine Freunde, dass Gott eng verbunden ist mit der freiwillig gewählten Armut und sie liebt, wie vergleichsweise ein Ehepaar sich liebt. Aus dieser partnerschaftlichen Liebesverbindung gehen mehrere Kinder hervor; z.B. die Apostel, die Einsiedler, die Mönche und andere Gläubige. Menschen, die sich aus christlicher Motivation freiwillig der Armut, der Demut und dem Gehorsam gegenüber ihrem göttlichen Vater im Himmel ergeben. Jesus Christus selbst bürgt mit seinem Wort – er selbst wird sie in Liebe aufnehmen, sie speisen und für sie sorgen. Gott selbst hat sich, wie von allen Evangelisten bezeugt, für die Armut entschieden.
In einem Traum sieht der Papst die Laterankirche, die ein Bild für die gesamte römisch-katholische Kirche darstellt, sehr nahe dem Einsturz. Er erkennt, dass aus dem armen Bruder Franz heraus unzweifelhaft Christus spricht. Und nicht nur das: Christus will und wird durch ihn sein Heil wirken und großmächtig an den Seinen handeln. Dieser arme, geringe und verachtete Mann wurde von Gott gesandt, um die Kirche mit seinen Schultern zu stützen, damit sie nicht einstürzt[1].
Hauptsächliches Anliegen der Armutsbewegung war, sich neu auf das Evangelium zurück zu besinnen und zu erkennen, dass die materiellen Güter dieser Welt im kurzweiligen Leben eines Menschen – im Vergleich zur Erkenntnis Jesu Christi – gar nichts bedeuten. Der religiöse Grundgedanke ist in der radikalen Übernahme der Lebensweise Jesu und seiner Apostel zu sehen. Gemeinsam mit dem Evangelisten Markus ruft Franziskus: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium[2]“. Franz verlangte nichts anderes, als Christus in aller Demut und Armut nachfolgen zu dürfen. Hunderttausende schlossen sich ihm an.
Die Armutsbewegung war zunächst eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten, welche diese einfache und armselige Lebensweise freiwillig praktizierten. Alle sozialen Schichten waren aufgerufen und fühlten sich betroffen. Das wohlhabende städtische Bürgertum wurde durch die Mahnung von Franz zum ‚brüderlichen Teilen’ aufgerüttelt, während die arme Landbevölkerung durch seine praktische, gelebte Solidarität und seine Lehren eine enorme Aufwertung erfuhr. Zu seiner Bewegung gehörten deshalb: v.a. Reiche, Arme, Männer, Frauen[3], Bauern, Städter, Einfache, Gescheite, Kleriker, Laien etc. Aus den um Franz herum versammelten ‚Bußbrüdern’ entwickelte sich sehr schnell ein fester Orden – die Minderbrüder – die sich ihrerseits schnell zu straff organisierten Klostergemeinschaften in ganz Europa verbreiteten.
Das Musikstück ist mir leider nicht bekannt. Es würde mich allerdings interessieren[4], wie es komponiert ist – ob z.B. als Musical oder als reines ‚Hörstück’, oder ... ?
Die Botschaft von Franziskus in unserer heutigen Zeit ist vielfältig und brandaktuell. Konsum, Leistung, Profit, Erfolg, ‚Immer stark und aktiv sein’ bestimmen den Geist der Zeit. Gut drauf sein, cool sein und Spaß haben – das kommt gut an, das ist ‚geil’[5]. Alles haben wollen, alles machen können, alles egal finden, Null-Bock haben, Wie du mir – so ich dir etc. sind häufig gebrauchte Slogans, Äußerungen und Verhaltensweisen vieler Menschen heute. Eine Neubesinnung / Neuorientierung auf das Evangelium Jesu Christi könnte auch heute viele Menschen zufriedener und glücklicher machen – könnte ihnen neuen Lebensmut und Lebenssinn erschließen. Die Kraft aus der wir in Frieden und Freiheit lernen können zu leben, ist und bleibt Jesus Christus. Er aber ist nicht in den Reichtümern, dem Hochmut, dem ‚Glimmer’ dieser Welt zu finden, sondern in den kleinen, bescheidenen und alltäglichen Dingen des Lebens, wie z.B. auch in der Stille und Betrachtung der Dinge. Schön, wenn man sich an einer Blume, einem Bach, einem Berg, einem Tier, einem Stein, der Sonne, dem Mond, den Sternen, eben an Gottes Natur erfreuen kann. Schön, wenn man hinter all den sichtbaren und unsichtbaren Zeichen den großartigen Schöpfer erahnen und entdecken kann. Gnade Gottes, wenn das ganze Leben, auch mit seinen schmerzlichen Seiten und Krisen dankbar angenommen und ausgehalten werden kann[6].
Sollten wir es wie Bruder Franz schaffen, im Glauben an Jesus Christus unser persönliches Schicksal mit dem seinen zu verbinden, erhalten wir auch heute durch seinen Geist ungeahnte Kräfte und Fähigkeiten[7]. Wir werden nicht nur z.B. eine Lebenskrise oder Angstgefühle annehmen und überwinden lernen, sondern als neue Menschen gestärkt an Leib und Seele zu neuem Leben berufen. So will Jesus Christus auch heute, vielleicht mehr denn je, unser ‚Rabbi’ sein. Er ist Psychotherapeut, Supervisor und Heiland in einer Person. V.a. in der Armut und Demut ist er uns gerade heute ein authentisches Vorbild. Echter christlicher Glaube drückt sich deshalb darin aus, dass wir uns auf Gott ausrichten und sagen: „Dein Wille geschehe.“ Die Sorge um das eigene Leben und seine menschlichen Bedürfnisse dürfen wir vertrauensvoll dem Vater überlassen. Wo dann der Wille Gottes an die Stelle unseres Willens tritt, kehrt Sorglosigkeit, Frieden und Gelassenheit ein.
Im Blick auf diesen Jesus Christus dürfen wir mit Franziskus glauben und vertrauen, dass Gott uns in jeder Lebenslage stärkt und uns die Treue hält. Er wird so auch zum Halt und Inhalt unseres Lebens.
[1] Franz hatte selbst einst die Worte des Gekreuzigten gehört: „Geh, Franz, und stelle mein Haus wieder her, das einzustürzen droht“. Franz hatte diese Anrede zunächst wörtlich genommen und die Kapellen um Assisi wieder hergestellt; bis er dann das große Haus Gottes – die Kirche – wieder hergestellt hat.
[2] Siehe Mk 1,15
[3] Bruder Franz nahm um das Jahr 1209 seine missionarische Tätigkeit auf. Bereits 1212 hatte sich Klara von Assisi der Franziskanischen Bewegung angeschlossen.
[4] Ich versuche selbst auch, mich und meine Gefühle durch die Musik auszudrücken.
[5] Ausdruck wird heute oft von den Jugendlichen für ‚großartig’ oder ‚toll’ gebraucht.
[6] Persönliche Vorbilder sind für mich z.B. auch Edith Stein und Dietrich Bonhoeffer.
[7] Bruder Franz erhielt durch diese enge, geistige Verbundenheit mit dem Leben und Leiden Jesu Christi dessen Wundmale, ca. zwei Jahre vor seinem Tod am 03.10.1226.