20 Zeichen und Gesten

Theologische Arbeit im Fach Liturgie


Auflistung möglicher Zeichen und Gesten in der Liturgie

  •     Die Arme ausbreiten,
  •     Die Hände erheben,
  •     Den Blick nach oben richten,
  •     Die Hände auflegen,
  •     Den Nachbarn anschauen,
  •     Aufeinander zugehen,
  •     Einander die Hand reichen,
  •     Das Licht anzünden,
  •     Das Kollektenkörbchen weiterreichen,
  •     Miteinander singen,
  •     Uns verneigen,
  •     Uns niederknien,
  •     Uns erheben und aufrecht stehen.

Glaubwürdige Zeichen und Gesten in der Liturgie

Was meine ich und zeige ich bei der Anwendung der oben aufgelisteten Gesten? Eine mehr als berechtigte Frage, denn man spürt, ob ein Zeichen oder eine Geste echt ist oder nicht. Auch eine kleine Geste kann Großes aussagen. Es kommt auf die innere Haltung, das Bewusst-sein, die Wertschätzung, die ich damit ausdrücken möchte, an. Es ist ähnlich wie beim Reden und Tun. Wenn Wort und Tat eines Menschen sich nicht entsprechen, wirkt auch er unecht und unglaubwürdig. Wir sollten uns bei den verschiedensten Zeichen[1] viel öfter und immer wieder bewusst machen, dass sie über sich hinaus ja auf eine andere, viel tiefer gelegene Wahrheit und Wirklichkeit zeigen und so mithelfen, diese auszudrücken – z.B. das Kreuzzeichen. So gesehen unterliegen alle unbewusst und oberflächlich durchgeführten, nicht „mit Inhalten“ gefüllten Zeichen und Gesten der Gefahr der inneren Aushöhlung und Verarmung. Ich bete z.B. gerne mit nach oben geöffneten Händen. So offen, wie meine Hände sind, fühle ich mich auch Gott gegenüber ganz offen und nahe. Auch mit den Urchristen, die aus ihrem Selbstverständnis heraus so gebetet haben, fühle ich mich dann verbunden. Im Gottesdienst der Gemeinde traue ich mich aber nicht immer – oft nur beim Vater unser. Ich bin froh, dass heute auch vieles im Gottesdienst hinterfragt wird und in den persönlichen Freiraum jedes Einzelnen gestellt ist. So hat sich im Gottesdienst z.B. meine körperliche Haltung gegenüber Gott in den letzten Jahren bewusst geändert – meist stehe oder sitze ich. Dementsprechend ist meine private Haltung, Gott zu erfahren, hauptsächlich sitzend oder sogar oft auch liegend.

Das Kollektenkörbchen reiche ich seit Jahren weiter, ohne einen Pfennig hinein zu tun. Ich bin der Meinung, dass diese Art, Spenden zu sammeln, längst überholt und nicht mehr zeitgemäß ist. Dennoch unterstützen meine Frau und ich die Armen und Notleidenden unserer Gemeinde, unserer Gesellschaft und in der 3. Welt, so gut wir können – auch materiell[2], aber vor allen anderen Dingen eben auch für-bittend im Gebet. Beim Friedensgruß habe ich keine Berührungsängste. Ich wünsche den Frieden des Herrn von ganzem Herzen für alle Menschen und gebe ihn deshalb gerne anderen weiter. Ich kann zwar schwer verstehen, aber dennoch gut akzeptieren, wenn jemand den Kontakt nicht wünscht. Was mich aber verwirrt und eher befremdet ist, wenn ich kaum den Händedruck spüre, oder wenn jemand mich dabei nicht anschaut – mir also im sprachwörtlichen Sinn kein Ansehen schenkt. Ich bekomme dann Zweifel und denke: „Der oder die meint es ja vielleicht gar nicht ernst bzw. ehrlich“. Dann muss ich daran denken, wie herzlich Jesus den Menschen begegnete, wie er seinen Jüngern Ansehen geschenkt und sie ganzheitlich angenommen hat – und wie wenig er oft selbst von ihnen ernst genommen, wahrgenommen und wirklich erkannt wurde. Wenn wir in der Gruppe als WortgottesdienstleiterInnen der Gemeinde vorstehen, versuchen wir auch manchmal bewusst neue Zeichen zu setzten und zu wagen – z.B. einen Kreis um den Altar bilden oder einander beim Beten die Hände reichen oder beim Beten eine zu Gott hin geöffnete Haltung einnehmen. Die Zeichen müssen mit dem was wir ausdrücken wollen und mit uns selber übereinstimmen.

Gottes Nähe zu spüren ist ein beglückendes und befreiendes Gefühl. Die Gegenwart Christi z.B. in seinem Wort oder im Zeichen der Osterkerze berührt mich und macht mich unmittelbar betroffen. Diese spendet Licht und Wärme und sie zehrt sich völlig auf – eben so, wie es der Herr ja auch für uns getan hat. Diese Bilder stimmen also völlig überein. Sie sind urbildhaft und anschaulich und sie lassen tiefe und individuelle Möglichkeiten der Betrachtung bzw. Berührungen mit Gott zu. Auch wenn ich bete lasse ich mir Zeit und baue sogar manchmal eine „Stille“ ein. Auch lege ich mehr Wert auf Qualität und verzichte deshalb z.B. bei der Gottesdienstverlaufsplanung lieber mal auf ein Lied oder ein Gebet oder einen mir weniger wichtig erscheinenden Part, zu Gunsten des Gesamten. Es ärgert mich, dass sich die Kirche tendenziell von hinten füllt. Jeder sollte aber auch den Platz, den er sich wünscht, einnehmen können. Auch finde ich es schlecht, wenn der Leiter hier zu viele Steuerungsimpulse einsetzt – das heißt aber nicht, dass er nicht auch mal einen Wunsch äußern sollte, gerade dann, wenn er diesen auch sinnvoll begründen kann. Das Bedürfnis nach Gemeinschaft mit den Menschen und mit Gott ist individuell. Es lässt sich nicht einfordern oder gar überstülpen. Hier mit gutem Beispiel selbst vorangehen ist schon recht viel und m.E. ein guter Weg.

Ich möchte hier noch ein anderes Beispiel schildern. Fast ein Jahr lang wurde unsere Christ-königskirche renoviert, so dass wir in dieser Zeit auf den vergleichsweise kleinen Saal im Gemeindehaus St. Joseph ausweichen mussten. Als dann der Umzug in die neue renovierte Kirche anstand, wollten wir ungern wieder zurück und waren fast alle traurig, weil die Gemeinschaft im kleinen Saal des Gemeindehauses wirklich als solche erlebt wurde. Die Atmosphäre war warmherzig, aufgrund der engen Stuhlung spürte man die Nähe der Nachbarn um sich herum, bei Gesang und Gebet auch in kleinen Gruppen ein ganz neues Gemeinschafts- und Miteinander-auf-dem-Weg-gefühl, keine Stufen und dem zufolge alle und alles auf einer Ebene und manchmal auch eine Spinne an der weißen Wand. Wir stellten also fest, dass man das große Kirchengebäude gar nicht braucht, ja dass es sogar liturgisch betrachtet hinderlich ist und es eigentlich ohne sogar viel besser geht. Ganz abgesehen von der einen Million Mark, die man dort verbaut hat. Ich frage – leider erst heute – an: „Hätten wir dieses Geld nicht sinnvoller verwenden können und sollen?“ „Sollten wir nicht das was uns auf dem Weg zu Gott im Wege steht nicht schnell und einfach wegräumen?“ „Sollten wir nicht noch mutiger alte Zöpfe abschneiden und neue Wege gehen[3]?“ So endet auch diese Arbeit mit weiteren offenen Fragen.


[1] In seinem Büchlein ‚Kleine Sakramentenlehre’ schreibt Leonardo Boff: „Alles Wirkliche ist nur ein Zeichen für eine andere Wirklichkeit – die Wirklichkeit, die allen Dingen zugrunde liegt: Gott“. Hiervon bin auch ich zutiefst überzeugt.

[2] Mutter Theresa von Kalkutta sagte einmal – an die Industrienationen dieser Welt gerichtet: „Hört endlich auf, mir Geld zu schicken ...“.

[3] „Auch füllt niemand neuen Wein in alte Schläuche. Sonst zerreißt der Wein die Schläuche; der Wein ist verloren, und die Schläuche sind unbrauchbar. Neuer Wein gehört in neue Schläuche“ – Mk 2,22.