Früher war im Gottesdienst die einzige aktiv handelnde Person der Priester. Die Gläubigen wohnten mehr oder weniger passiv der Messe bei, meist ohne etwas zu verstehen (lateinische Sprache) oder zu sehen (Zelebration der Priester am Hochaltar, den Gläubigen den Rücken zugewandt). Dies ist heute grundlegend anders. Natürlich ist es auch heute ganz wesentlich, die Liturgie schön und feierlich zu erleben – aber darüber hinaus gibt es noch mehr, Gott sei Dank wieder in den Vordergrund gerückte, wichtige Aspekte. So ist die Liturgie nach der Konstitution des 2. Vatikanischen Konzils aufgrund der Taufe Recht und Pflicht aller Gläubigen. Es ist gewünscht, dass alle Gläubigen zu der vollen, bewussten und tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern geführt werden, wie sie das Wesen der Liturgie selbst verlangt. Aufgrund dieses Selbstverständnisses werden heute die Gottesdienste von vielen gläubigen Laien – den sog. Liturgischen Diensten – aktiv unterstützt und mitgetragen z.B. Lektoren, Kantoren, Kommunionhelfer, Ministranten, Schola etc.. Wenn kein Priester vor Ort ist, wird von den Wortgottesdienstleitern der Gottesdienst vorbereitet und durchgeführt. Ich bin selbst in einer solchen Gruppe und die Gestaltung und Durchführung solcher Gottesdienste macht uns große Freude. Jeder wird nach seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten eingesetzt. Auch machen wir uns immer wieder bewusst, dass wir selbst der „Leib Christi“ sind und deshalb eine große Verantwortung gegenüber allen Mitmenschen, aber auch allen anderen Mitgeschöpfen und der Natur haben. Während der Liturgie wird so u.a. sichtbar, dass eben auch die Gemeinde ganz wesentlich ins liturgische Geschehen integriert ist und diese mitträgt.
Ein weiterer, wichtiger Aspekt ist die reale Gegenwart Jesu Christi in jedem Gottesdienst. Seine Anwesenheit ist unabhängig vom jeweiligen Ort und auch unabhängig von subjektiv erlebter Feierlichkeit. Das wichtigste ist doch, dass wir uns immer wieder bewusst machen, dass der Herr da ist, dass, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, er mitten unter ihnen ist – so z.B. in seinem Wort, in den liturgischen Handlungen, in Gebet und Gesang, in den Sakramenten, in den eucharistischen Gestalten, in den Menschen, die ihm nachfolgen etc. So gesehen werden wir in erster Linie reich von Gott beschenkt. Er will schon jetzt unser Heil und zwar voll und ganz. Hieraus erwächst das natürliche Bedürfnis des gläubigen Menschen, Gott für seine Liebestaten in der hl. Eucharistie (=Danksagung) danken zu wollen. Außerdem erfasst und durchdringt der Glaube den ganzen Menschen auf allen Ebenen des Seins – im Fühlen, Denken und Handeln. So kann und darf auch das ganze, von Glaube und Taufe geprägte Leben des Christen „Gottesdienst“ genannt werden[1].
[1] Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, meine Brüder, euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt; das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst (Röm 12,1).