Mit Hilfe der Gentechnik können wir die Erbanlagen von Lebewesen einschließlich des Menschen feststellen, isolieren, gezielt beeinflussen, verändern und neu kombinieren. In folgenden Bereichen / Feldern[1] kann sie Anwendung finden:
Ganz allgemein ist zu sagen, dass alle Überlegungen, die im Zusammenhang mit dem Bereich der Natur und des Lebens stehen, immer wieder von dem zweifachen Auftrag Gottes an den Menschen, nämlich die Natur zu bewahren und zu gestalten, ausgehen müssen[2]. Die Erforschung der Erde und des Menschen, das Eingreifen des Menschen in die Natur und Umwelt ist nicht nur sittlich vertretbarer, sondern verpflichtender Auftrag Gottes. Allerdings darf der Mensch, gerade auch gegen die nichtmenschliche Schöpfung nicht immer alles tun, was er kann. Die ethische Faustregel, dass der mögliche Missbrauch einer Methode nicht den rechten Gebrauch verbietet, setzt die eindeutige Unterscheidung zwischen gutem und schlechtem Gebrauch voraus. Oft sind auch die Spätfolgen einer heute scheinbar positiv wirkenden Maßnahme schwer oder noch gar nicht überschaubar und deshalb auch nicht oder nur schwer korrigierbar.
So wissen wir jetzt z.B., dass der erhöhte Ertrag bei hochgezüchteten Getreidesorten – durch die Schädigung des Lebens im Boden, durch die Vergiftung der Böden durch die intensive Düngung und den notwendigerweise verstärkten Einsatz von „Pflanzenschutzmitteln“ – langfristig ins Gegenteil umschlagen kann. Beim Einsatz der Gentechnologie im Umweltbereich erweist sich die Freisetzung von manipulierten Bakterien und Viren, die in der Umwelt überleben, sich ausbreiten, unter Umständen in unvorhergesehener Weise mutieren und mit anderen Organismen in bislang unbekannte und auch unbeherrschbare Reaktionen eintreten, als problematisch. Die Mikroorganismen sind nicht mehr biologisch abgeschwächt und abgeschottet, wie etwa im Laborversuch. Beim Einsatz der Gentechnologie am Menschen besteht zwischen den herkömmlichen Methoden[3] und den direkt in die Erbsubstanz eingreifenden Methoden ein tiefgreifender Unterschied.
Sofern diese gewahrt werden und die Gentechnologie in therapeutischer Zielsetzung vorgenommen wird, ist die Gentherapie an Körperzellen sittlich erlaubt. Die Therapie ist ethisch wie eine Gewebetransplantation zu bewerten.
Voraussetzungen für die Anwendung sind:
Das schwierigste ethische Problem ist der gentechnologische Eingriff in Keimbahnzellen (Keimbahntherapie). Bei der Gentherapie an den Keimbahnzellen selbst (Eizellen / Spermien / Spermien produzierende Zellen / Zellen, die im frühembryonalen Stadium noch ungegliedert die Fähigkeit haben, alle Funktionen zu übernehmen) werden nicht nur alle Zellen im Organismus in ihrer genetischen Qualität verändert, sondern dieser veränderte Genbestand auch an die Nachkommen weitervererbt. Eine Indikation für eine solche Therapie bestünde bei jenen Erbkrankheiten, die sonst nicht therapierbar wären. Ein solcher Eingriff aber hätte das Experimentieren mit menschlichen Embryonen – was ethisch niemals erlaubt sein kann – zur Voraussetzung. Entscheidendes Kriterium für die sittliche Bewertung dieser Therapie ist das Recht des Embryos und seiner Nachkommen auf körperliche Integrität und auf personale Identität. Beides würde durch den Eingriff in den menschlichen Embryo auf das schwerste verletzt. Es würde nämlich nicht ein existierender Mensch geheilt, sondern die genetischen Grundlagen für die Identität nicht nur einer Person, sondern all jener, die von ihr abstammen, manipuliert.
Die eigentlich ethische Problematik der Eugenik[4]
liegt nicht nur in der Frage, ob wir faktisch das Erbgut verändern können und dabei die Folgen abschätzen, sondern im Maßstab, nachdem wir bewerten können, ob dieser Eingriff auch eine humane Verbesserung bedeutet. Der Mensch müsste dafür eine Weisheit haben, die über
seine Möglichkeiten hinausreicht und der Weisheit des Schöpfers gleichkommt. Unweigerlich würde eine genetische Manipulation an den Keimbahnzellen den Betroffenen und alle seinen Nachkommen in
seiner genetischen Identität den Plänen und Zielen und damit der Willkür anderer Menschen ausliefern.
Deshalb widerspricht jede Art von Forschung, die auf Menschenzüchtung hinausläuft, zutiefst der Würde des
Menschen. Diese Grenze ist bereits in der Grundlagenforschung zu respektieren.
[1] Unter Zuhilfenahme von „KEK II“ S. 298-302 u. „Neues Lexikon der christlichen Moral“ S. 242-257.
[2] Siehe Gen 1,27 f und Gen 2,15.
[3] Beispiele: Genetische Beratung vor der Empfängnis / „Gencard“ des Erwachsenen / Genetische Diagnose am Neugeborenen / Pränatale Diagnostik / somatische Gentherapie.
[4] Erbgesundheitsforschung mit dem Ziel, erbschädigende Einflüsse und die Verbreitung von Erbkrankheiten zu verhüten.