9 Die besten Plätze


Such Dir nicht den Ehrenplatz aus

Textquelle: Das Neue Testament - Übersetzung von Fridolin Stier, 1989 - LK 14,1.7-14

 

"Und es geschah: Als er in das Haus eines Anführers der Pharisäer am Sabbat zum Brot-Essen kam, da beobachteten sie ihn. Und da! Als er merkte, wie sie sich die ersten Plätze wählten, sagte er zu ihnen: Wirst du von einem zu einer Hochzeit geladen, so lagere dich nicht auf den ersten Platz. Es könnte ein Ehrwürdigerer als du von ihm geladen sein. Und es kommt, der dich und ihn geladen, und sagt zu dir: Mach diesem Platz! Dann wirst du voll Scham den letzten Platz einnehmen. Nein, wenn du geladen wirst, geh und lass dich auf dem letzten Platz nieder, damit der, der dich geladen, kommt und dir sagt: Freund, rücke höher hinauf! Dann wird dir die Verherrlichung zuteil vor allen, die mit dir zu Tisch liegen. Denn: jeder, der sich selbst erhöht, wird niedrig gemacht, und wer sich selbst niedrig macht, wird erhöht. Er sagte aber zu dem, der ihn geladen hatte: Wenn du ein Früh- oder ein Abendmahl gibst, so rufe nicht deine Freunde noch deine Brüder, und nicht deine Stammesgenossen noch reiche Nachbarn – damit nicht auch sie dich ihrerseits einladen und du es wettgemacht bekommst. Nein, wenn du einen Empfang gibst, so rufe Arme, Krüppel, Lahme, Blinde zusammen. Und selig bist du, weil sie nichts haben, um es dir wettzumachen. Denn wettgemacht wird es dir bei der Auferstehung der Gerechten."


Predigt im Jahreskreis 2007


Wie Gott mir - So ich Dir

Liebe im christlichen Glauben versammelte Gemeinde,

heute ist Jesus zu Gast bei einem Pharisäer. Auch die anderen Gäste sind Pharisäer. Heute werden sie diesen Jesus einmal ganz genau beobachten, ob er vielleicht gegen den Anstand und die guten Sitten verstößt? Ob er sich – ihren Erwartungen entsprechend – benehmen wird? Jesus aber nimmt die Situation zum Anlass, um gleichnishaft über das Reich seines Vaters im Himmel zu sprechen. Als er sieht, dass die Gäste nach vorne auf die ersten Plätze drängen, sagt er: „Wenn du irgendwo eingeladen bist, setz dich nicht auf den besten Platz. Denn – es könnte ein Vornehmerer kommen und du müsstest weichen. Setz dich lieber auf den letzten Platz. Dann wird der Gastgeber kommen und sagen: Freund, rück weiter hinauf. Das wird dir Ehre einbringen.“ Denn – wenn ihr immer und überall die ersten sein wollt, ist euer Platz im Himmel gefährdet.

Nicht wer sich in dieser Welt nach vorne schafft, hat auch schon – quasi automatisch – im Himmelreich eine gute Position. Denn dort gilt: Wer sich selbst erhöht wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. Die Betonung liegt eindeutig auf ‚selbst‘. Durchaus ist es für uns in Ordnung, wenn Jesus immer wieder die Pharisäer kritisiert. Doch heute geht es nicht um sie, sondern um uns. Um jede und jeden von uns ganz persönlich. Es geht um meinen Hochmut, um meine Lebensweise, um mein Mensch- und Christsein. Übrigens: Demut bedeutet hier nicht Unterwürfigkeit, oder sich klein machen, sondern es meint ein verantwortungsbewusstes Handeln bzw. Dienen gegenüber unseren Mitmenschen – abgeleitet von der geschöpflichen Abhängigkeit des Menschen von Gott. Deshalb muss es heißen: „Wie Gott mir – so ich Dir.“

Wie aber halte ich es mit dem Streben nach den ersten Plätzen? Nicht bei einem Festmahl, sondern in unserer Gesellschaft, in unserem Sozialgefüge, bei der Arbeit, in der Familie. Welche Positionen strebe ich an? Und warum? Und wie gestalte ich sie? Nun – ein jeder nach seiner Fähigkeit? Diese Antwort ist einfach – zu einfach. Die Schwierigkeiten ergeben sich nicht bei der Festlegung des Zieles, sondern bei der Wahl des Weges. Auf welchem Weg aber und mit welchen Mitteln erstrebe oder verteidige ich eine gesellschaftliche Position? Wir Christen vertrauen darauf, dass Gott uns einen Platz in seinem Reich schenken wird. Wir können uns diesen Platz nicht selbst verdienen. Nur als Beschenkte können wir in diesem Bewusst-sein leben. Denn – bei Gott stehe ich in gutem Ansehen. Deshalb muss ich mich eben nicht immer wieder vor den Menschen beweisen – durch Berechnung oder Ehrgeiz. Oder mich gar auf Kosten anderer nach vorne schaffen – durch Hinterhältigkeit oder Falschheit. Fällt mir eine Position zu, fülle ich sie – so gut ich eben kann – aus. Ich gehe meinen Weg vertrauensvoll und sicher – mit Gott.

Sei also bescheiden. Nimm dich selbst nicht so wichtig. Richte deinen Blick von Dir weg, auf den Anderen, den Nächsten, den Armen – auf sein Wohl, auf seine Zufriedenheit. So wie die Kleinen und Armen selig sind, weil ihr ganzes Leben Erwartung ist – so sind jene selig, die den Armen geben, weil sie nichts quasi zurückerwarten können. Ein Armer kann nur mit seiner Dankbarkeit antworten. Und so wird dann das Einladen und das Schenken des Gastgebers selbstlos und großherzig. In die gleiche Richtung weisen auch die Worte des Weisheitslehrers Jesus Sirach: „Mein Sohn, bei all deinem Tun bleibe bescheiden und du wirst mehr geliebt werden, als einer der Gaben verteilt.“ Auch hier geht es um die Grundhaltung des Menschen gegenüber Gott und dem Nächsten. Es geht um Ehrfurcht, Vertrauen, Solidarität, Mitgefühl und Liebe.

Liebe im christlichen Glauben versammelte Gemeinde,

Mutter Teresa wurde einmal gefragt, was sie tun werde, wenn sie nicht mehr Generaloberin sei. Sie antwortete: „Ich bin sehr gut im Putzen von Toiletten und Abflussrohren.“ Es geht also weniger darum, was wir tun, als vielmehr darum, wie wir etwas tun. Wie viel Liebe wir in unser Tun hineinlegen. „Wenn ich Christus gehöre und er genau jetzt von mir will, dass ich Toiletten putze oder mit dem Präsidenten der USA spreche, so ist alles dasselbe. Denn ich bin und tue, was Gott von mir will. Ich gehöre ihm.“ Amen.