40 Die Berufung des Mose


Hier bin ich - Herr

Textquelle: Das Alte Testament - Einheitsübersetzung 2017 - EX 3,1-8a.13-15

 

"Mose weidete die Schafe und Ziegen seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Eines Tages trieb er das Vieh über die Steppe hinaus und kam zum Gottesberg Horeb. Dort erschien ihm der Engel des Herrn in einer Feuerflamme mitten aus dem Dornbusch. Er schaute hin: Der Dornbusch brannte im Feuer, aber der Dornbusch wurde nicht verzehrt. Mose sagte: Ich will dorthin gehen und mir die außergewöhnliche Erscheinung ansehen. Warum verbrennt denn der Dornbusch nicht? Als der Herr sah, dass Mose näher kam, um sich das anzusehen, rief Gott ihm mitten aus dem Dornbusch zu: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Er sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. Dann fuhr er fort: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. Der Herr sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne sein Leid. Ich bin herabgestiegen, um es der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen. Da sagte Mose zu Gott: Gut, ich werde also zu den Israeliten kommen und ihnen sagen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. Da werden sie mich fragen: Wie heißt er? Was soll ich ihnen sagen? Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin, der ich bin. Und er fuhr fort: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der Ich-bin hat mich zu euch gesandt. Weiter sprach Gott zu Mose: So sag zu den Israeliten: Der Herr, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name für immer und so wird man mich anrufen von Geschlecht zu Geschlecht."


Predigt in der Fastenzeit 2016


Der Dornbusch brennt und verbrennt doch nicht

Liebe im christlichen Glauben versammelte Gemeinde,

in der heutigen Lesung – einer der bedeutendsten Texte des Alten Testaments – begegnen wir Gott, wie er sich selbst offenbart, und wie er – wieder einmal – einen Menschen in seinen Dienst beruft. Dieses Mal, wir haben es gehört – Mose, der Schafhirte. Er, der jetzt mit sich ringen und kämpfen muss – er wird bald nach dieser Begegnung wie verwandelt sein. Mutig wird er den Auftrag Gottes annehmen und zum größten Führer und Propheten des Volkes Israels heranreifen. Doch – wie fing die Geschichte Gottes mit diesem Menschen Mose eigentlich an?

Das in einem Binsenkörbchen auf dem Nil ausgesetzte, und von der Tochter des Pharaos aus dem Wasser gezogene, und von ihr angenommene Kind, erhielt den Namen Mose. So wuchs er am Hofe des Pharaos auf; musste aber flüchten, nachdem er einen ägyptischen Aufseher tötete. Schließlich kam er nach Midian, wo er sich sicher fühlte. Jitro, der Priester, gab ihm seine Tochter Zippora zur Frau und fortan weidete Mose die Ziegen und Schafe seines Schwiegervaters, bis er eines Tages das Vieh über die Steppe hinaustrieb und zum Gottesberg Horeb kam.

Als Leser erleben wir hier – wie ganz oft im Alten Testament – ein sich Anhäufen und Überstürzen an Bildern. Das heißt, dass die Glaubenswahrheit im Wesentlichen eben nicht in Fakten und Begriffen, sondern in Symbolen und Bildern vermittelt wird. Bilder wie ‚die Steppe‘ und ‚die Wüste‘, oder die tief ‚innen-brennenden‘, bohrenden Fragen des Mose.

„Ich soll Führer meines Volkes werden?“ Minderwertigkeitsgefühle und Selbstzweifel überfallen ihn. Sind es aber nicht auch unsere Minderwertigkeitsgefühle, unsere Selbstzweifel, unsere Erfahrungslosigkeit und unsere Fragen. Die Frage nach einem sinnerfüllten Leben – oder die Frage nach der persönlichen, gottgegebenen Berufung. Es existiert heute eine große Sehnsucht nach persönlichen Grenzerfahrungen, nach Gottesbegegnung und Gottesberührung. Aber auch das z. B. Ausruhen auf dem ‚Alten‘, die mangelnde Bereitschaft aufzubrechen und auch die Angst, sind hemmende Verhaltensweisen. Wir leben aber im Heute, Hier und Jetzt.

In diese Situation des Suchens und Zweifelns hinein erscheint dem Mose der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlägt. „Der Dornbusch brennt und verbrennt doch nicht.“ Welch gewaltiges Bild? Ein Busch – ein offenes Feuer. Hier als Symbol für menschliche ‚Seelenenergie‘ verwendet, die emotional betroffen macht und von Gott redet. Hierbei geht es um das subjektive Spiegelbild geistig-seelischer Vorgänge – also das innere Erleben und Erfühlen einer Glaubenswahrheit und eben nicht um äußere Fakten.

Es lohnt sich, einmal über Dornbuscherlebnisse und Gottesberührungen in meinem Leben – ganz persönlich – nachzudenken. Dies könnten Höhepunkte, Wendepunkte, Lebenskrisen und auch Lebensfreuden, das heißt, dort, wo Leben gelingt, glücklich und sinnerfüllt erfahren wird, sein. Ein möglicher Weg für uns ist auch die jetzige Fastenzeit und die damit verknüpfte Bereitschaft zur inneren Umkehr. „Der Herr sah, dass Mose näherkam, um sich das anzusehen“. Nun beginnt der Dialog, das Aufeinander-Zugehen von Jahwe und Mose, das dann zur Selbstoffenbarung Gottes „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs“, führt. Es ist der Beginn einer Beziehung, die weitreichende Folgen für alles Kommende haben wird – der Beginn von Befreiung und Volkswerdung.

Von Gott gesehen zu werden bedeutet so viel wie: Ansehen zu haben, Angesehen zu werden. Hier drückt sich die Wertschätzung Gottes gegenüber der Schöpfung und allen Mitgeschöpfen aus. Ansehen ist auch als Geschenk Gottes zu sehen. Denken wir nur daran, wie Jesus Christus den Menschen begegnete. Nach der Selbstoffenbarung Gottes erfährt Mose dessen Anliegen. Befreiung des Volkes aus der Knechtschaft der Ägypter, und Hinaufführung in ein schönes, weites Land. Exodus – der lange, trockene Weg durch die Wüste. Ist Exodus aber vielleicht auch mein Weg? Ein neuer Weg? Ein neuer Weg mit Gott? Eine neue Berufung? Gegen meine Widerstände, meine Zwänge, meine Unfreiheit, meine Leiden.

Liebe Schwestern und Brüder in Christus Jesus,

so wie Gott sich der Mithilfe des Mose bedient, und ihn bei seinem Namen ruft, so ruft und beruft er auch heute jeden von uns – ganz persönlich – mit unseren Namen. Lassen wir uns also wieder neu auf eine echte und lebendige Beziehung mit diesem Gott ein. Lassen wir uns – wie Mose – verwandeln, um unseren Auftrag in seinem Sinne, zu erfüllen. Neben allen Anstrengungen führt dies – davon bin ich felsenfest überzeugt – zu einer tiefen, inneren Befriedigung und Gelassenheit. Sei gewiss, Gott hält auch deine Zeit und deine ‚Lebensfäden‘ ganz fest in seiner Hand. Amen.