Textquelle: Das Neue Testament - Übersetzung von Fridolin Stier, 1989 - LK 3,1-6
"Im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius – als Pontius Pilatus Statthalter von Judäa war, Herodes Gaufürst von Galiläa, sein Bruder Philippus Gaufürst von Ituräa und des trachonitischen Landes, Lysanias Gaufürst von Abilene – unter dem Hohenpriester Hannas und Kajaphas: Da geschah das Wort Gottes an Johannes, Zacharias Sohn, in der Ödnis. Und er kam in das ganze Umland des Jordan als Künder einer Taufe auf Umkehr hin – zum Nachlass der Sünden. So ist geschrieben im Buch der Worte des Propheten Jesaja: Eines Rufenden Stimme in der Ödnis: Bereitet den Weg des Herrn; macht gerade seine Straßen. Jede Schlucht werde aufgefüllt, jeder Berg und Hügel niedrig gemacht, das Verquere werde zu Geradem, die holprigen zu ebenen Wegen. Und jedes fleischlich Wesen schaue das rettende Tun Gottes."
Liebe Schwestern und Brüder in Christus Jesus,
jetzt vor Weihnachten gibt es in unseren Häusern wieder viel zu tun. Der volle Schreibtisch, die schmutzigen Fenster, die noch aufzuräumenden Zimmer. Vielleicht auch mal wieder richtig entrümpeln, auf dem Dachboden oder im Keller. Das muss jetzt einfach sein. Denn – an Weihnachten will man alles schön und sauber und ‚in Ordnung’ haben. Ganz genau darum geht es heute auch Johannes dem Täufer. Er sagt den Leuten offen ins Gesicht, wo ihr Leben nicht mehr in Ordnung ist, wo ihre Beziehung zu Gott nicht mehr stimmt. Und – welch katastrophale Folgen dies für sie haben wird. „Ein Ruck muss durch Euch hindurchgehen“, so hört man ihn sagen. „Jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.“ Die Predigt davon, dass einzig und allein die Taten zählen. Und trotz dieser harten Worte, strömen die Leute in Scharen zu ihm hinaus. Und man nimmt ihm ab was er sagt, denn – er selbst lebt seine Botschaft radikal. So radikal, dass er schließlich im Gefängnis landet und – wie Jesus, getötet wird. Wer war dieser Mensch, der so viele faszinierte und von dem selbst Jesus sagte: „Unter allen Menschen gibt es keinen Größeren als ihn.“
Nun – Johannes lebte in der Wüste – einfach und asketisch. Er trug ein Gewand aus Kamelhaaren, ernährte sich von Heuschrecken und wildem Honig. Ein durch und durch charismatischer Typ mit dem ganz starken Willen, etwas zu verändern. Er predigte die ‚Metanoia’, was so viel heißt wie: Bald kommt der Messias. Richtet euer Leben danach aus. Bekehrt euch. Tut Buße. Bereitet euch vor und erwartet ihn. Etwa so, wie auch wir ihn heute wiederum erwarten dürfen. Aber was ist es denn, was wir von Weihnachten noch erwarten? Vielleicht ein bisschen mehr Weihnachtsgeld? Den Besuch von Oma und Opa und den Kindern – ein schönes Fest im Kreis der Familie? Gutes Essen und Trinken? Schöne Geschenke unterm schön geschmückten Christbaum mit der Krippe? Ja und dann natürlich, beinah hätte ich’s vergessen – der Schnee. Weiß muss es sein, draußen. Sonst ist nicht richtig Weihnachten, so sagen viele.
Das ist alles schön und gut, aber – und jetzt hören wir Johannes – ist denn das wirklich die Hauptsache? Richten wir unser Leben denn wirklich nach der Weihnachtsbotschaft aus? Hat das Kommen Gottes in diese Welt überhaupt noch irgendeine praktische Konsequenz für mich ganz persönlich und meinen Lebensalltag? Wo und wie muss ich in meinem Leben wieder Ordnung schaffen, damit es auch hier drinnen – im Herzen – weiß werden kann. Das ist doch für uns heute, wollen wir kein oberflächliches Weihnachtsfest erleben, die entscheidende Frage? Aufräumen ist mitunter schwer und anstrengend – und es sage ja keiner, in seinem Haus sei alles schon in Ordnung. Denn was liegt da nicht alles unaufgeräumt herum. Die eigene Trägheit und Gleichgültigkeit. Dann – ist mir die Liebe Gottes so selbstverständlich geworden, dass ich sozusagen ‚das Staunen’ darüber verlernt habe. Mein Christsein ist irgendwie lau und lasch geworden. Dann bin ich vielleicht von jemanden tief verletzt worden – will oder kann aber einfach nicht mehr vergeben. Und wie eine bittere Wurzel durchzieht die Unversöhnlichkeit mein ganzes Inneres. Dann die Schuld, die ich mit mir herumtrage und die mich nicht zur Ruhe kommen lässt. Was schlecht war, und böse, und gemein, das lässt sich so einfach eben nicht unter den Teppich kehren – da klopft das Gewissen. Deshalb weiß auch jede und jeder am besten selbst, was in Ordnung zu bringen ist. Johannes lässt hier nicht locker und fordert. Jetzt Aufräumen, jetzt Saubermachen, jetzt Entrümpeln. Jetzt ist dafür die richtige Zeit. Oder hätte er sagen sollen: Alles nicht so schlimm. Bleibt so, wie ihr seid. Irgendwie kommt ihr schon durch. Nein, unmissverständlich fordert er auch von uns: „Ändert Euch! Kehrt um zu Gott! Bringt rechtschaffene Früchte der Buße!"
Warum aber dann diese Härte, diese Strenge, diese Unerbittlichkeit – frage ich? Einzig und allein darum, uns zu öffnen und bereit zu machen, für das Kommen Gottes. So – dass auch wir im Vertrauen bitten können: „Maranatha – komm, guter Gott – auch in mein Leben – und verändere mich.“ Mitten also in dieser besinnlichen Jahreszeit, ruft uns Johannes zur Besinnung. Herr ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund: so beten wir in jeder heiligen Messe. In diesen wenigen Worten ist die ganze Spiritualität und Anbetung des Johannes enthalten. Und diese Umkehr des Herzens – unseres Herzens, hin zu Gott, ist die wahre Vorbereitung auf das Kommen Jesu Christi. Dort, wo wir von ganzem Herzen sagen können: „Herr, ich brauch Dich!“, dort wird Gott uns nicht enttäuschen.
Und vielleicht ergeht es Ihnen dann so – ich wünsche es Ihnen von Herzen – wie jenem Mann, der erfuhr, dass noch heute Gott zu ihm kommen will [1]. „Zu mir? In mein Haus?“ rief er. Und rannte durch alle Zimmer, die Stiegen auf und ab; kletterte zum Dachboden hinauf und in den Keller hinab. Auf einmal sah er sein Haus mit ganz anderen Augen. „Unmöglich!“, schrie er. „Hier kann ich doch keinen Besuch empfangen. Alles verdreckt und voller Gerümpel. Kein Platz zum Ausruhen. Keine Luft zum Atmen. Freunde! Kommt! Helft mir aufräumen, irgendjemand! Aber schnell!“ Er begann, sein Haus zu kehren und durch dicke Staubwolken hindurch sah er, dass ihm einer zu Hilfe gekommen war. Gemeinsam schleppten sie das Gerümpel vors Haus, schlugen es klein und verbrannten es. Dann putzten sie die Stiegen, und die Böden, und die Fenster. Und immer noch klebte der Dreck an vielen Ecken und Enden. „Das schaffen wir nie!“ schnaufte der Mann. „Wir schaffen es schon!“ sagte der andere. Und – sie plagten sich den ganzen Tag. Als es dann Abend wurde, gingen sie in die Küche und deckten den Tisch. „So“, sagte der Mann, „jetzt kann er kommen, mein Besuch! Jetzt kann Gott kommen. Wo er nur bleibt?“ Da setzte sich der Andere an den Tisch und sagte: „Aber ich bin ja da! Komm und iss mit mir!“
Liebe im christlichen Glauben versammelte Gemeinde,
wie gut das tut, wenn Gott kommt und aufräumen hilft. Wie gut das tut, wenn wir unseren Schmutz und unser Gerümpel loswerden. Wie gut das tut, nicht alleine zu sein. Gott will kommen und wieder neu bei uns einziehen, um wieder neu bei uns zu wohnen. Nicht nur einen Abend lang – nein – das ganze Jahr. Macht deshalb wieder eure Türen hoch und die Tore weit, denn jetzt kommt der Herr der Herrlichkeit. Komm, mein Heiland Jesus Christ – meines Herzens Tür dir heute, und immer, offen ist. Amen.
[1] Weihnachtsgeschichte von Lene Mayer-Skumanz