33 Die Fangfrage


Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist

Textquelle: Das Neue Testament - Übersetzung von Fridolin Stier, 1989 - MT 22,15-22

 

"Darauf gingen die Pharisäer und fassten den Beschluss, ihm mit einem Wort eine Schlinge zu legen. Und nun senden sie ihre Jünger mit den Herodianern zu ihm, die sagen: Lehrer, wir wissen, dass du wahrhaftig bist, den Weg Gottes der Wahrheit gemäß lehrst und dich dabei um niemand kümmerst; denn du blickst nicht auf das Gesicht der Menschen. Sag uns also, was du meinst: Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen – oder nicht? Jesus aber kannte ihre Bosheit und sprach: Was versucht ihr mich, ihr Blender! Zeigt mir die Steuermünze! Sie brachten ihm einen Denar. Und er sagt zu ihnen: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Des Kaisers, sagen sie. Darauf sagte er zu ihnen: Zahlt also, was des Kaisers, dem Kaiser zurück, und was Gott ist, Gott! Als sie das hörten, staunten sie, ließen ihn stehen und gingen fort."


Predigt im Jahreskreis 2014


Gebt Gott was Gottes ist
Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn,

eine Falle wollten sie ihm stellen. Eine Falle, aus der er – Jesus – ganz egal, was er sagt oder tut, nicht mehr herauskommen wird. Was eignet sich hierfür besser als die leidige Frage nach den Steuern? Die Römer verlangten damals von jedem Bürger Israels eine Kopfsteuer. Wer sich weigerte zu bezahlen wurde sehr hart bestraft. Egal also, welche Meinung Jesus hierzu hat – es wird ihn in eine Zwickmühle bringen. Hieß er die Steuer gut, machte er sich beim Volk unbeliebt. War er dagegen, verhafteten ihn die Römer als Rebellen. Eine Fangfrage also – hinterlistig und raffiniert ausgedacht.

„Zeigt mir eine der Münzen, mit denen ihr eure Steuern bezahlt!“ sagt er. Und tatsächlich – sie tragen welche in ihren Taschen. Damit hatten sie freilich nicht gerechnet – Jesus, klug und schlagfertig. Und damit sitzen sie jetzt selbst in der Falle. Denn – ganz offensichtlich hatten sie sich doch längst mit den Römern abgefunden. Ja, sie benutzten sogar deren Geld, machten damit Geschäfte und profitierten davon. Ihre Frage also – pure Heuchelei. Indem sie dann die römische Münze vorzeigen, geben sie sich die Antwort quasi selbst. Der Kaiser prägt das Geld, mit dem die Wirtschaft des Imperiums läuft. Durch die Steuer gibt man ihm im Grunde genommen nur sein Eigentum zurück. „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“, heißt hier also: Was fragt ihr mich nach den Steuern? Ihr habt euch doch selbst längst mit den Römern und ihrem System arrangiert! Wenn ihr schon mit dem Geld des Kaisers Geschäfte macht, dann müsst ihr euch auch gefallen lassen, dass er Steuern kassiert. Dann müsst ihr seine Herrschaft eben ertragen.

Das ist das eine. Das andere aber, das viel wichtigere, worum es Jesus geht, ist: „Gebt aber auch Gott, was Gott gehört.“ Er will, dass man Gott den Rang einräumt, der ihm gebührt. Gott soll ‚Herr‘ im wahrsten Sinne des Wortes über das menschliche Leben, und zwar über alle Lebensbereiche hinweg, sein. Dies gilt dann freilich auch, und ganz besonders, für Staat, Politik und Wirtschaft. Keine weltliche Macht darf absolute Autorität beanspruchen. Auch sie bleibt letztendlich an ‚Gottes Gesetz‘ gebunden. Gott ist eben Herr – auch über den Kaiser, so Paulus.

Die Christen der Anfangszeit waren in der Regel friedliebende Bürger – wie wir. Sie hielten sich an die Gesetzte des Staates und zahlten brav ihre Steuern – wie wir. Bis auf einen Punkt. Dort riskierten sie sogar, wenn es sein musste, den tödlichen Konflikt. Nämlich – dem Kaiser ein Opfer darzubringen. Dies war ihnen nicht möglich. Denn dadurch hätten sie ihn als Gott anerkannt. Nein – niemals. Eher ließen sie sich hinrichten. Aus demselben Grund wollten sie auch keine Soldaten sein, denn der Fahneneid war eng mit dem Götter- und Kaiserkult verknüpft. Sie nahmen es eben sehr, sehr ernst, dass man „Gott mehr gehorchen muss, als den Menschen“, so Lukas in der Apostelgeschichte.

Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn,

die Bürger zur Zeit Jesu hatten wohl kaum eine andere Wahl. Irgendwie mussten sie sich mit den Römern und ihrem Wirtschafts- und Verwaltungssystem arrangieren. Ganz ähnlich sind auch wir heute in unsere Gesellschaftsordnung eingebunden – eine Ordnung, die oft unmenschlich und auch unchristlich ist. Gläubige im Geschäftsleben beispielsweise oder in Dienstleistungsbetrieben oder auch in der Politik geraten nicht selten leicht in Gewissenskonflikte, wenn mit harten Bandagen gekämpft wird, wenn mit allen Mitteln Mitkonkurrenten auszuschalten sind, wenn man lügen muss, um sich über Wasser zu halten, oder um einfach gut da zu stehen. Denn – die Anderen nehmen ja auch keine Rücksicht. Und – Ellenbogen muss man heute einfach haben.

Wie aber kann ich so meine christlichen Ideale verwirklichen? Oder anders gefragt: „Muss ich nicht ein Stück weit zum Aussteiger werden, um Christ bleiben zu können?“ Eine zugegeben, sehr schwierige Frage – über die es sich aber lohnt, nachzudenken. Warum vielleicht nicht dort anfangen, wo das eigene Gewissen, wo Menschlichkeit und Gerechtigkeit auf dem Spiel stehen?

Viele klagen über die zunehmende Kälte, Härte und Rücksichtslosigkeit. Wer aber ist bereit, etwas dagegen zu unternehmen? Unser Wirtschaftssystem, ausgelegt auf Gewinnmaximierung und unbegrenztes Wachstum droht alles andere zu beherrschen. Man muss ihm an bestimmten Punkten widerstehen, um die menschlichen Werte zu retten. Das ist gewiss sehr riskant – und vielleicht sogar manchmal von persönlichem Nachteil. Aber es wäre ein gutes Beispiel, Gott wieder etwas mehr Raum zu geben in unserem Alltag. Seid also guten Willens – und gebt Gott, was ihm gehört. Amen.