32 Die heilige Familie


Josef flieht aus Nazareth

Textquelle: Das Neue Testament - Übersetzung von Fridolin Stier, 1989 - MT 2,13-15.19-23

 

" Als sie (die Sterndeuter) entwichen waren – da! Ein Engel des Herrn erscheint dem Josef im Traum  und sagt: Auf, nimm das Kind und seine Mutter, flüchte nach Ägypten und bleib dort, bis ich es dir sage! Denn Herodes ist schon dabei, das Kind zu suchen, um es zugrunde zu richten. Er richtete sich auf, nahm noch nachts das Kind und seine Mutter und entwich nach Ägypten. Und dort war er bis zum Ende des Herodes, damit erfüllt werde das vom Herrn durch den Propheten Gesprochene, der sagt: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.

Als es mit Herodes zu Ende war – da! Ein Engel des Herrn erscheint dem Josef in Ägypten im Traum und sagt: Auf, nimm das Kind und seine Mutter und zieh in das Land Israel! Denn tot sind, die dem Kind nach dem Leben trachteten. Er richtete sich auf, nahm das Kind und seine Mutter und kam in das Land Israel. Als er aber hörte, Archelaus sei anstelle seines Vaters Herodes König von Judäa, beschlich ihn Furcht, dorthin zu gehen. Im Traum gewiesen, wich er in die Gegend von Galiläa aus. Und er kam hin und wurde wohnhaft in einer Stadt, Nazaret genannt, damit erfüllt werde das durch den Propheten Gesprochene: „Nazoräer“ wird er heißen."


Predigt am Tag der Heiligen Familie - 28.12.2014


Die heilige Familie

Liebe im christlichen Glauben versammelte Gemeinde, liebe Eltern u. Kinder,

das Schicksal der Heiligen Familie wird uns heute anschaulich vor Augen geführt. Flucht, Angst, Ungewissheit, eine neue Heimat suchen – Gefahren über Gefahren. Alles andere als ein idyllisches Familienleben in Frieden und Harmonie. Und wie ist dies heute? Die Experten sprechen eine traurige Sprache: Familien sind oft ein Ort von Gewalt, wo Menschen körperlich u. seelisch zerstört werden. In zehn Prozent aller Familien werden Kinder sexuell missbraucht. In weiteren zehn Prozent der Familien gibt es schwere Alkoholprobleme. Der Alkoholkonsum bei Kindern und Jugendlichen steigt rapid. Mittlerweile werden mehr Frauen in der eigenen Wohnung vergewaltigt oder gar umgebracht, als auf der Straße. Jedes zweite Kind weltweit hat nicht genug zu essen, kein sauberes Wasser zu trinken, keine Schutzimpfungen, keine Medikamente, keine Schulbildung für Millionen. Allein in Afrika haben bereits zwölf Millionen Kinder ihre Eltern an der Krankheit Aids verloren. Mehr als eine Milliarde Kinder auf der ganzen Welt leben laut UNICEF in Armut. Auch bei uns sind es heute doppelt so viel, wie noch vor fünfzehn Jahren. Säuglinge werden in Babyklappen gelegt – die es Gott sei Dank gibt – oder aber auch tot im Mülleimer aufgefunden. Oder gar vom eigenen Vater erschlagen, weil er in Ruhe ‚seine Sportschau‘ sehen wollte. Er konnte das Geschrei seines eigenen Sohnes nicht mehr länger ertragen. Traurige und negative Nachrichten überschütten uns – Tag für Tag. Können wir in Anbetracht der Fülle an Elend und Not überhaupt noch mitgehen – mitfühlen? Und dennoch steht hinter jedem Schicksal ein einzelner Mensch – ganz oft eben ein Kind.

Wenden wir unseren Blick noch einmal auf die Heilige Familie. Hinten links in unserer Kirche hängt ein Holzportrait. Wenn ich dort mit den Erstkommunionkindern vorbeikomme, bleiben wir immer stehen und betrachten es. Dabei stelle ich den Kindern verschiedene Fragen – zum Beispiel: „Wie heißen die drei Personen? Wo ist Jesus geboren? Wo aufgewachsen? Was hatte sein Vater für einen Beruf?“ „Zimmermann“ sagt da einer, „wie mein Papa“. „Ich hab ihm schon oft in der Werkstatt zugeschaut, manchmal hab ich ihm auch schon geholfen“. Wir kommen dann darauf, dass dies bei Josef und Jesus wohl auch so war – dass sie auch vieles gemeinsam, miteinander gemacht haben. Zum Beispiel eine Lehmhütte gebaut, ein Dach gedeckt, Fenster und Türen repariert und natürlich miteinander gegessen und getrunken. Manchmal gab es auch Streit, aber dann hat man sich auch relativ schnell wieder vertragen. „Genau wie bei uns“, sagen da manche Kinder. Sie spüren, dass Jesus seinen Eltern viel bedeutete, dass er ihnen viel wert war. Ich bin davon überzeugt, dass Jesus selbst nur ein so positives Vaterbild – zu seinem himmlischen Vater – entwickeln konnte, weil er in Josef – seinem irdischen Vater – einen so verständnisvollen und liebevollen Papa erlebt hat. Ein guter Freund, mit dem man durch dick und dünn gehen kann.

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

vor allem die frühkindlichen Erfahrungen können die Entwicklung eines Menschen positiv oder negativ prägen. Jesus hat besonders auch die Kinder geliebt und immer wieder gesagt: „Lasst sie zu mir kommen.“ Ein Kind ist zunächst einmal bedürftig und schwach und immer auf die Liebe seiner Eltern angewiesen. Auch dann, wenn es einen Fehler gemacht hat. Nur so kann es dann später auch die Erfahrung machen, dass es von Gott geliebt wird – nur so kann Vertrauen entstehen und wachsen.  Jugendliche, die zu Erwachsenen heranreifen, wollen, dass man ihnen vertraut und auch etwas zutraut. Und vielleicht sollten wir auch mal eine 'verrückte Sache' einfach so mitmachen, weil es das Vertrauen und die Beziehung stärkt. Warum eigentlich nicht? In meiner Familie war mir immer wichtig, mit meinen Söhnen auch mal etwas ganz allein zu unternehmen – nur für uns und den Augenblick da zu sein – beispielsweise eine Mountainbike-Tour, eine Bergtour, ein Klosteraufenthalt, ein gemeinsames Lagerfeuer. Das schweißt zusammen – und das tut gut.  An die schönen Dinge, die unsere Eltern früher mit uns gemacht haben können wir uns doch auch noch gut erinnern. Das freut uns doch heute noch – und das kann uns auch keiner mehr nehmen. Familie soll also nicht nur eine Lebensgemeinschaft, sondern immer mehr auch eine Liebesgemeinschaft werden. Denn gerade in der Liebe der Eltern zu ihren Kindern, will sich auch die Liebe Gottes zu uns Menschen ausdrücken. Amen.