Textquelle: Das Neue Testament - Übersetzung von Fridolin Stier, 1989 - MT 9,36-10,8
"Als Jesus die Scharen sah, ward ihm weh um sie, weil sie geschunden waren und preisgegeben wie Schafe, die keinen Hirten haben. Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, Arbeiter sind wenige. Fleht also zum Herrn der Ernte, dass er Arbeiter hinaus schicke in seine Ernte. Und nachdem er seine zwölf Jünger herbeigerufen, gab er ihnen Vollmacht, unreine Geister auszutreiben, und allart Gebrechen und Behinderung heil zu machen. Und das sind die Namen der zwölf Sendboten: Als erster Simon, der Petrus genannte, und dessen Bruder Andreas; dann Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und dessen Bruder Johannes; Philippus und Bartholomäus; Thomas und Matthäus der Zöllner; Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Thaddäus; Simon Kananäus, und Judas der Iskariot – derselbe, der ihn ausgeliefert hat.
Diese Zwölf sandte Jesus aus und wies sie an: Geht nicht abseits zu den Völkern, und geht in keine Samariterstadt. Zieht lieber zu den zugrunde gegangenen Schafen des Hauses Israel. Zieht hin, kündet und sagt: Genaht ist das Königtum der Himmel. Macht Kranke heil, weckt Tote auf, reinigt Aussätzige, treibt Abergeister aus. Umsonst ihr empfingt, umsonst gebt!"
Liebe Gemeinde, liebe Kinder, liebe Jugendliche,
vor vier Wochen nahm ich in Paris - St. Germain du Prés an einem Gottesdienst teil, der in einem kleinen, unterirdischen Kellergewölbe der Kathedrale stattfand. Wir waren nur ein paar Wenige. Oben im eigentlichen Kirchenraum tummelten sich tausende Schaulustige. Meine, immer wieder auch in Rom gemachten Erfahrungen, dass nämlich Christen zu einer Minderheit geschrumpft sind – bestätigte sich erneut. In Rom beispielsweise sind es heute weniger als ein Prozent. Viele – Wenige? Worauf kommt es an? Auf die Menge – oder den Einzelnen? Warum sind wir denn überhaupt Christen geworden? Wem haben wir unseren Glauben zu verdanken?
Jesus beruft heute seine Jünger, nicht in erster Linie um sie zu senden, sondern um sie bei sich zu haben. Mit Jesus sein. Von ihm lernen. Auf ihn hören. Ihn befragen. Mit ihm beten. Gottes Willen suchen und gemeinsam erspüren. Oft sind sie dabei allein – am Berg, am See, in Kafarnaum. „Ruht euch ein bisschen aus“, sagt Jesus auch zu uns. Hier in der Kirche, in der Natur, im Kloster, in den Bergen. Jeder muss das für sich selbst herausfinden, was gut für ihn ist. Zu was aber werden wir gesendet? Welches sind unsere Aufgaben? Der Evangelist sagt heute: Sich aktiv am Aufbau des Reiches Gottes beteiligen; was so viel heißt wie: Dort, wo du hingestellt bist, ein guter Mensch sein. Also – auf deine gute Tat – da kommt’s wirklich drauf an. Daheim mit den Eltern und Geschwistern, in der Schule mit den Lehrern, den Mitschülern, beim Freund, der Freundin, dem Sportverein, dem Musikverein, der Landjugend. Viele Möglichkeiten – viele Aktivitäten – vielen Rollen – jeden Tag.
Aber was ist schon gut? Gibt es etwas, das Gut und Böse unterscheiden bzw. messen kann? Was meint ihr? Ja – das Gewissen. Es sagt euch nämlich ganz genau: Das war okay – und das nicht. Zum Beispiel die Unwahrheit sagen oder den Anderen verletzen – womöglich mit Absicht. „Was du nicht willst das man dir tu – das füg auch keinem Andern zu“, heißt es in einem alten Sprichwort.
Konkrete Aufgaben werden beispielhaft im heutigen Evangelium benannt. „Geht und verkündet – das Himmelreich ist nahe!“, heißt so viel wie: Habt Mut zum Glauben, legt Zeugnis ab für das Evangelium in Wort und Tat, tankt immer wieder neue Kraft und haltet durch. „Geht und treibt Dämonen aus!“ Dämonen – das sind heute: Sucht, Depression, Angst, vor der Zukunft, dem Alleinsein und davor, keinen Ausbildungsplatz zu bekommen. „Geht und macht die Aussätzigen rein!“, heißt so viel wie: Integriert die Arbeitslosen, die Behinderten, die ‚Versager‘, die am Rande der Gesellschaft stehenden Menschen, die Armen und die sozial Schwachen. „Heilt Kranke!“ bedeutet Zuwendung, Akzeptanz und Toleranz. Und – „weckt die geistig Toten auf!“ – in euren Familien und Lebensgemeinschaften. Rüttelt sie wach – im wahrsten Sinne des Wortes. Jesus betraut also jeden von uns mit ganz konkreten Aufgaben. Es gibt viel zu tun. Was aber musst du nun hierzu mitbringen bzw. können? In erster Linie ist es keine Ausbildung oder eine Prüfung – und auch kein Studium z.Bsp. in Theologie. Was du brauchst ist Mut, Vertrauen, Gesundheit, Fröhlichkeit, Lebensfreude und insgesamt eine positive Lebenseinstellung. Das wichtigste aber ist: Du musst ehrlich und stimmig sein, indem was du sagst und tust. Jesus hilft dir dabei. Schau bei ihm ab, was er sagt und was er tut. Vertraue ihm und vertraue dir – und du wirst sehen, dein Leben gelingt – auch wenn’s manchmal schwer ist. Er schenkt dir immer wieder neue Kraft und neuen Mut.
Liebe Gemeinde, liebe Kinder, liebe Jugendliche,
in der ersten Predigt am Tag nach seiner Wahl sagte Papst Benedikt: „Ganz besonders liebevoll umarme ich die Jugendlichen. Sie sind unsere Zukunft. Sie sind die Hoffnung der Kirche, ja der ganzen Menschheit“. Und vor einigen Tagen beim Weltjugendtag in Köln: „Ich werde euch zuhören, und mit euch reden, und ich möchte euch helfen, in der Tiefe, Christus den Lebendigen, zu treffen. Christus den ewig Jungen. Denn – Die Kirche lebt und die Kirche ist jung.“ Amen.