Textquelle: Das Alte Testament - Einheitsübersetzung 2017 - 2 KÖN 4,42-44
"Einmal kam ein Mann von Baal-Schalischa und brachte dem Gottesmann Brot von Erstlingsfrüchten, zwanzig Gerstenbrote und frische Körner in einem Beutel. Elischa sagte: Gib es den Leuten zu essen! Doch sein Diener sagte: Wie soll ich das hundert Männern vorsetzen? Elischa aber sagte: Gib es den Leuten zu essen! Denn so spricht der HERR: Man wird essen und noch übrig lassen. Nun setzte er es ihnen vor; und sie aßen und ließen noch übrig, wie der Herr gesagt hatte."
Liebe im christlichen Glauben versammelte Gemeinde, Schwestern und Brüder in Christus Jesus,
haben Sie schon einmal in die Augen eines an Hunger sterbenden Kindes geschaut? Ein traurig-hilfloser, auch ein ohnmächtig-anklagender Anblick. Beim Übergang vom Leben zum Tod, also im Prozess des Sterbens, gibt es eine entscheidende Schwelle; vor ihr tut alles noch ganz schrecklich weh; dahinter siehst du den Tod als einen guten Freund immer näherkommen. Bis er dich an seine Hand nimmt, dich hinausführt und du ihn gerne begleitest. Jetzt freust du dich – denn du hast es geschafft. Deshalb sagte das auf der Straße liegende, an Hunger sterbende Kind zu Mutter Teresa, als sie ihm ein Stück Brot gab, und es aufforderte zu essen: „Ich habe Angst, das Brot zu essen, ich fürchte, wenn es zu Ende ist, werde ich wieder hungrig sein.“ Das Kind war bereits jenseits der Schwelle. Es tat nicht mehr weh. Es wollte nicht mehr zurück.
Auch Elischa, was so viel heißt wie „Gott hilft / Gott rettet“, war ein Mann der ‚kleinen‘ Leute. Hungerten die Menschen oder starben gar daran, so litt er mit ihnen und sorgte sich, so gut er konnte. Deshalb ließ er auch die heute erhaltenen Erstlingsfrüchte – Brote und Körner – unmittelbar ans Volk verteilen. „Gib es den Leuten zu essen! Denn so spricht der Herr: Man wird essen und noch übriglassen“, was heißt: Die Vielen werden nicht nur satt, sondern die Gaben werden – und zwar durch Gottes Wort – so vermehrt, dass sogar noch Reste übrigbleiben. Was wiederum heißt: Etwas Gewaltiges, etwas Außergewöhnliches war geschehen. Könnte nicht auch heute – in Anbetracht der traurigen Lage, dass Armut, Arbeitslosigkeit und Hunger in der Welt stetig steigen – wieder einmal so ein Brotwunder geschehen? Durch Gott; oder gar durch Sie oder mich? Doch schauen wir zunächst etwas genauer hin.
Die Weltwirtschaftskrise wird – ausgehend von den USA – über kurz oder lang alle Regionen der Erde erreichen. Denken wir nur an die Bankenkrise, die Schuldenberge, die leeren Staatskassen und das Ausbeuten der Rohstoffe. Gemeinsam mit der Welthungerhilfe klage ich an und sage: Frauen und Kinder werden besonders betroffen sein; die Politik hat bislang versagt.
Die Weltklimakrise wird, wenn wir nicht sofort und ganz entschieden gegensteuern, die Lebensgrundlage vieler Menschen – vor allem die der Bäuerinnen und Bauern in Afrika – einfach vernichten. Denken wir an das Abschmelzen der Polkappen, die Dürrekatastrophen in Afrika, die verheerenden Überschwemmungen in Südostasien, das immer knapper werdende Wasser, die mangelnden Fischbestände, die Umweltverschmutzungen. Der Preis – sprich die Folgekosten werden hoch sein. Und – zu über neunzig Prozent werden ihn die armen Länder zu tragen haben.
Die Welternährungskrise hat sich in den letzten Jahren wegen der Finanzkrise und der gestiegenen Preise für Lebensmittel, Treibstoff und Dünger dramatisch verschärft. Über eine Milliarde Menschen hungern – also jeder sechste. Über hundert Millionen Menschen leben in extremster Armut. Täglich sterben an Unterernährung und fehlender, ärztlicher Hilfe über 30.000 Kinder. Alle drei Sekunden – Eines; während einer zehnminütigen Predigt – Zweihundert.
Und dabei gäbe es eigentlich Nahrungsmittel genug. Weltweit kann so viel produziert werden, dass alle satt werden könnten. So ist Hunger also zunächst ein globales und politisches Problem und muss deshalb auch an seinen sozialen, politischen und ökonomischen Ursachen global bekämpft werden. Die Menschenrechte sichern es den Betroffenen quasi zu – was zugespitzt heißt: Hierauf haben sie ein Recht.
Liebe Mitchristen, Schwestern und Brüder im Herrn,
die Frage ist noch offen. Was kann ich tun? Was muss ich tun? Ich, ganz persönlich. Ich sage: „Gib – im übertragenen Sinn – einfach alles, was Du hast. Alles – materiell. Und alles – spirituell. Verschenk Dich und die Gaben, die du selbst empfangen hast; deine Freude, dein Friede, deine Geduld, deine Sanftmut, deine Freundlichkeit, deine Güte und Treue; und – die Größte aller Gaben, deine Liebe. Sei dort, wo du hingestellt bist Lebensbrot für Andere und lasse bewusst Gott in deinem Leben zu. Denn nicht du musst das Wunder zustande bringen. Nein – der Herr wird es wirken – immer wieder neu – und immer wieder, auch durch Dich. Wenn du glaubst und vertraust und gibst, was Du hast. Amen[1].
[1] Predigtlied: ‚Wenn jeder gibt, was er hat, dann werden alle satt‘, von Peter Janssens – als Predigtschluss mit Gitarrenbegleitung vorgetragen. 1. Wir spinnen, knüpfen, weben – wir säen neues Leben 2. Kleine Gabe, gute Hand – sättigt Tausende im Land 3. Wir spinnen, träumen, schauen – wir fangen an zu bauen 4. Wir teilen, was wir haben – wir bringen unsre Gaben.