51 Lukas, der Evangelist


Öffnet ihm wenn er kommt

Textquelle: Das Neue Testament - Einheitsübersetzung, 2017 - LK 1,1-4

 

"Schon viele haben es unternommen, eine Erzählung über die Ereignisse abzufassen, die sich unter uns erfüllt haben. Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren. Nun habe auch ich mich entschlossen, nachdem ich allem von Beginn an sorgfältig nachgegangen bin, es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest."


Predigt am 3. Sonntag im Jahreskreis 2019


Öffnet ihm wenn er kommt

Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder in Christus Jesus,

mit dem Fest der Taufe des Herrn vor zwei Wochen endete die Weihnachtszeit und es begann die sog. Zeit im Jahreskreis. Heute feiern wir den dritten Sonntag des Lesejahres C – dieses dauert bis zum Christkönigssonntag im November. Danach beginnt der Zyklus dann wieder von vorne mit dem Lesejahr A. Gelesen werden die wichtigsten, immer-gleichen Textstellen der Bibel, die sog. Perikopen. Dabei ist jedes Jahr einem der drei weitgehend übereinstimmenden (synoptischen) Evangelisten gewidmet. Das Lesejahr A dem Evangelisten Matthäus, das Lesejahr B dem Evangelisten Markus und das Lesejahr C – also dieses Jahr – dem Evangelisten Lukas.

 

Lukas, wir haben es gerade gehört, leitet sein Evangelium mit einem persönlichen Vorwort ein. Dies ist in der gesamten Heiligen Schrift einzigartig. Er will berichten über all das, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat. Dabei ist er sorgfältig allem nachgegangen, was die Augenzeugen und die Diener des Wortes von Anfang an überliefert haben. Auch kann Lukas bereits auf das zurückgreifen, was ‚Viele‘ darüber berichtet haben. So könnt ihr euch dann selbst von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, schreibt er an Theophilus, einen seiner Helfer. Die Zuverlässigkeit also der christlichen Glaubenslehre – sowohl historisch als auch theologisch – war sein Hauptziel. Für mich ist dies ein großartiges und ehrliches Bekenntnis, das tiefes Vertrauen und allergrößten Respekt verdient.

 

Wer aber war dieser Lukas? Was können wir heute über ihn in Erfahrung bringen? Um es gleich vorweg zu sagen: Sehr wenig. Der Überlieferung nach war er Grieche und wurde im syrischen Antiochia geboren. Wohl gehörte er zu den ersten, von Paulus missionierten Christen und begleitete diesen auch auf seinen Missionsreisen. Paulus selbst bezeichnet Lukas in Kol 4,14 als den geliebten Arzt. Sein Schreib- und Arbeitsstil zeigt auch, dass es sich um bewusst gestaltete Werke eines gebildeten, griechisch-sprechenden Heidenchristen handelt. Lukas wollte Heiden für Christus gewinnen und sie im Glauben festigen. Die Abfassungszeit seines Evangeliums wird heute auf die Jahre 85 - 90 n. Chr. datiert. Es handelt sich also bereits um die dritte Generation der urchristlichen Überlieferung.

 

Eine weitere, sehr wichtige Frage ist: Auf welche Quellen konnte Lukas zurückgreifen?

  1. Auf das bereits vorhandene Markusevangelium [1]
  2. Eine Sammlung von Jesusworten, die sog. Logienquelle Q [2]
  3. Die mündliche Überlieferung der Augen- und Ohrenzeugen

Lukas folgt in seinem Evangelium weitgehend der Ordnung und Inhaltsstruktur des Markusevangeliums. Darüber hinaus verarbeitet er aber auch einzigartige Texte, die nur in seinem Evangelium vorkommen – das sog. lukanische Sondergut [3], z.B. die Weihnachtsgeschichte. Und was wäre die Bibel ohne die Weihnachtsgeschichte? Die Berichte über den Täufer / der Besuch Mariens bei Elisabet / die Reise nach Bethlehem / die Geburt im Stall / die Hirtengeschichten / das Zeugnis des Simeon und der Hanna / bis hin zum zwölfjährigen Jesus im Tempel. Fast alle Inhalte des ersten und zweiten Kapitels sind einzig nur bei Lukas zu finden.

 

Danach schildert er das Wirken Jesu in Galiläa, seinen Weg nach Jerusalem und die Passion. Anhand des Weges Jesu verdeutlicht er auch die Eigenart des christlichen Lebensweges. Die Voraussetzung dafür schafft Gott selbst, indem er den sündigen, verlorenen Menschen bedingungslos annimmt. Im „Gleichnis vom verlorenen Sohn“ geschieht die Wiederaufnahme ohne jede Vorleistung – nur eben die Rückkehr zum Vater ist erforderlich. Oder im „Gleichnis vom barmherzigen Samariter“, wo er aufzeigt, dass Barmherzigkeit und konkrete Taten der Liebe wichtiger sind, als religiöse oder nationale Grenzen. Die Bewährung der Beziehung zu Gott erfolgt konkret im Zusammenleben der Menschen.

 

Wiederholt stellt uns Lukas auch die Vergänglichkeit von Besitz und Vermögen vor Augen. Er warnt vor den Gefahren des Reichtums und fordert – bezogen auf die Bedürftigen und die Armen – einen sozialeren und gerechteren Umgang. Im achten Kapitel schreibt Lukas: „Die Zwölf begleiteten ihn und auch einige Frauen; Maria Magdalena, Johanna, Susanna und viele andere. Sie unterstützten Jesus und die Jünger mit ihrem Vermögen“. Lukas betont hier in einzigartiger Weise auch die besondere Rolle der Frauen in der Nachfolge Jesu Christi.

 

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

gestatten Sie mir ein allerletztes Beispiel. Was wäre die Bibel ohne die Emmaus-Geschichte? Offen gesagt – meine Lieblings-Ostergeschichte. Zwei frustrierte Jünger auf dem Weg nach Emmaus. Ein Fremder kommt hinzu, er geht den ganzen, langen Weg mit ihnen, hört ihnen zu, erschließt ihnen den Sinn der Schrift und dann abends, als er das Brot brach - dann erst erkannten sie ihn. Lukas will uns damit zeigen, dass auch wir unseren Lebensweg nicht allein, sondern mit Christus, gehen dürfen. Beim Studium der Schrift und im gemeinsam gefeierten Ritus des Brotbrechens begegnen auch wir ihm – ganz persönlich. Christliche Gemeinde erscheint so als lebendige Weggemeinschaft mit dem Auferstandenen, der nicht sichtbar und doch gegenwärtig ist. Dafür verbürgt sich der Evangelist.

 

Hört also das Wort, überzeugt euch von seiner Zuverlässigkeit und handelt danach, im Sinne eines guten und menschen-würdigen Lebens. Dies legt uns, ganz besonders heute und in diesem Jahr 2019 - Lukas, der Evangelist - in unsere Herzen.   Amen.


[1] Das Lukasevangelium enthält 41 Prozent des Markusevangeliums,

[2] Das Lukasevangelium enthält 24 Prozent der Logienquelle Q, die auch dem Verfasser des Matthäusevangeliums vorlag,

[3] Das lukanische Sondergut umfasst etwa ein Drittel des gesamten Lukasevangeliums; zählt man auch einzelne Verse dazu, die inmitten anderer Texte stehen, sind es rund 45 Prozent, also fast die Hälfte.